Welcome to Turkmenistan. Lange Zeit habe ich nicht glauben können, dass ich dies mal hören werde. So ist dieses Land doch so verschlossen und viele Reisende haben Probleme ein Visum zu bekommen.
Die Iranische Grenzkontrolle war schnell und unkompliziert. Ohne große Worte werden ich und drei andere Radler ausgestempelt und Richtung Grenzbrücke geleitet. Die anderen drei Radler sind Martin, den ich am Tag vorher schon getroffen habe, Sebastian aus Deutschland und Calle aus Schweden. Calle ist auf dem Weg von Thailand nach Thailand. In fast 10 Monaten hat er schon Südostasien, Australien, Neuseeland, USA und Europa per Fahrrad durchquert. Mit einem Tagesdurchschnitt von 100 km und einen Pausentag alle paar Wochen ist er einer dieser Hardcoreradler, die man ab und zu mal trifft.
Für mich gehen fünf Monate im Iran zuende. Fünf Monate mit zwei Ausreisen zwischendurch. Solch eine lange aber wunderschöne Zeit. Dafür war die Ausreise doch etwas zu unfreundlich.
Die Brücke über den Grenzfluss war alt und klapprig. Auf der anderen Seite stehen die ersten Turkmenischen Soldaten. In schicken grünen Uniformen warten sie auf uns um die Pässe zu kontrollieren. Weiter ging es zur Eigentlichen Kontrolle. Laut Berichten dauert diese Kontrolle oft bis zu drei Stunden.
Als wir das Gebäude betreten wollen, müssen wir erst warten. Die Putzfrau putzt noch. So warten wir geduldig. Ein Beamter der Kontrolle kommt heraus und begrüßt uns. Jedem wird die Hand gegeben und einzeln begrüßt. Auch die Soldaten an der Brücke gaben jedem die Hand. Dies scheint hier Kultur zu sein, jedem Persönlich die Hand zu geben.
Zuerst geht es in der Einreiseprozedur zum Arzt, der die Temperatur misst, weiter geht es zur Befragung was wir dabei haben und unsere Daten werden in ein Buch geschrieben. Danach werden wir gefragt wo wir hin wollen, was wir machen und welche Strecke wir nehmen. Immer wieder wird uns erzählt, wir seien Transitreisende und keine Touristen. Die Beamten schärfen uns ein nur die Hauptstraße zu benutzen, nicht die Straße zu verlassen und uns nichts anzuschauen. Fotos von allen Gebäuden, Autos, Menschen und Straßen sind Tabu. In 5 Tagen müssen wir an der Usbekischen Grenze sein. Wir akzeptieren und die Pässe werden kontrolliert. Weiter geht es zum Bezahlen der Einreisegebühr (14$). Mit der Quittung gehen wir zurück zur Passkontrolle und es gibt den Einreisestempel.
Doch die Prozedur ist nicht beendet. Das Zollformular muss ausgefüllt werden und die Taschen werden kontrolliert. Diesmal komplett und das heißt, alle Taschen werden geöffnet und komplett durchsucht. Ein anderer Soldat schaut sich die Bilder meiner Kamera an.
Als der Soldat Martins Gepäck durchsuchte, fand er dort eine kleine Sprühdose und fand es eine gute Idee sich den Inhalt in die Augen zu sprühen. Da es Martins Pfefferspray war, konnte er nur noch taumeln und wir mussten uns einen Lachanfall verkneifen, was den Grenzbeamten natürlich gar nicht gefallen hat. Der Soldat war danach nicht wieder gesehen. Probleme für uns gab es keine. Nach der Kontrolle hieß es: Willkommen in Turkmenistan und wir werden nach 3,5 Stunden in die MIttagshitze entlassen.
Turkmenistan. Da bin ich also. Was auffällt, die Häuser haben wieder Ziegeldächer. Allerdings ausschließlich mit grünen Ziegeln. Alle Häuser sind weiß. Offizielle Gebäude sowie das Grenzgebäude sind aus weißem Marmor. Überall hängt ein großes Bild des Präsidenten.
Die Frauen tragen jetzt sehr bunte, blumige Kleider. Das allgegenwärtige schwarz im Iran ist endlich vorbei.
Wir kauften uns Getränke und aßen eine Kleinigkeit und ab ging es in die Wüste. Turkmenistan muss binnen 5 Tagen mit etwa 500 km durchquert werden. Die Strecke führt komplett durch flache Steppe fast nur gradeaus. Als wir auf die Räder stiegen zeigte mein Thermometer 53°C an. Perfekte Voraussetzung zum Radeln. Ziemlich schnell wurde klar. Ich komme den anderen drei nicht hinterher, nichtmal ansatzweise. Wie schon im Iran herrschte ein heftiger konstanter Gegenwind aber den drei schien es nichts auszumachen. Mit über 20km/h fuhren sie davon, während ich ihnen mit 15 hinterher fuhr. So war ich sehr schnell wieder alleine.
Der Wind wehte und die Sonne schien erbarmungslos vom Himmel herab. Nach gut 20km meldete sich mein Magen zurück. Ich war wohl doch noch nicht ganz erholt.
Ich fing an zu rechnen. Für diesen Tag muss ich mindestens 100 km schaffen, es war 15:00 Uhr und ich hatte erst 20 km gemacht bei einer Geschwindigkeit von 15km/h. Plus wiedererstarkende Magenkrämpfe. War ich nun ein Versager, wo ich schon wieder vor dem kapitulieren stand? Andere erzählen von ihren Heldentaten. Durchqueren Turkmenistan in 4 Tagen bei dieser Hitze, fahren trotz hohem Fieber oder Durchfall ihre 100km am Tag. Ich fühlte mich wieder sehr schlecht.
Dennoch entschloss ich mich umzukehren und den Zug zu nehmen. Mein nächstes großes Ziel ist der Pamir Highway in Tadschikistan. Dafür muss ich gesund sein. Ich sagte mir, im Zug und am Bahnhof kommst du mit Leuten in Kontakt und du kannst dich mit ihnen austauschen. Viel besser als alleine den ganzen Tag durch die Wüste zu fahren.
Die ersten Leute sind aber erstmal Polizisten die mich fragen wo ich hin will und meine Fotos kontrollieren. Ob ich schon Fotos gemacht habe, wollen sie wissen. Natürlich nicht. Ist ja alles verboten.
Am Bahnhof angekommen war grad eine Hochzeitsgesellschaft anwesend. Sie feiern ein bisschen und machen Fotos mit sich und der Statue des Präsidenten, die vor dem Bahnhofsgebäude steht. Der Bahnhof wurde von einem jungen Soldaten bewacht. Er sagte mir, dass am nächsten Morgen ein Zug fährt. Ich habe nichts vor, darf nichts machen, also entschloss ich mich einfach bis zum nächsten Morgen zu warten.
Nach ca einer Stunde kam die Bahnhofspolizei und ich musste ihnen auf die Station folgen. Wieder Passkontrolle, Befragung wo ich hin will und Kontrolle meiner Fotos. So langsam geht es mir auf die Nerven. Ich saß eine gefühlte Ewigkeit auf der Wache und die Polizisten wussten nicht was sie mit mir machen sollen. So ließen sie mich irgendwann wieder gehen. In der Zwischenzeit war wohl mein Hinterreifen von der Hitze geplatzt. Ich reparierte den Schlauch und setzte mich wieder an den Bahnhof. Recep, der Soldat und ich sitzen so herum und versuchen uns die Zeit zu vertreiben. Er spricht fast kein Englisch, daher verlief die Konversation mit Händen und Füßen. Zwischendurch kam noch ein Freund von ihm, der mir noch ein bisschen Geld tauschte und ein bisschen besser Englisch sprach. Sie wollten wissen ob ich Turkmenistan toll finde und ob ich Tourist sei. „Ich bin Transit“, sagte ich, dies wurde mir an der Grenze so eingetrichtert. Ob man so ein verrücktes Land mögen kann weiß ich noch nicht. Recep ist 23 Jahre alt, verheiratet und hat eine Tochter. Sie konnten nicht verstehen, dass ich mit 26 noch nicht verheiratet bin. Dass es in Deutschland kein so wichtiges Thema ist und ich nicht viel von Heiraten halte, konnten sie gar nicht verstehen. Turkmenistan ist auch ein Muslimisch geprägtes Land.
Nach ein paar Stunden, wir waren grad am Essen, Recep teilte sein Abendessen mit mir, kamen zwei ernst schauende Männer auf uns zu. Sie stellten sich als Special Immigration Police vor und fragten mich was ich hier mache.
„Wir haben dir an der Grenze eine Straße genannt, die du zu nehmen hast. Die Straße verlassen ist nicht gestattet und der Bahnhof liegt nicht an dieser Straße“.
Wie ich also hier her gekommen sei.
„Ich bin losgefahren und die anderen haben mich abgehängt und mir ging es immer schlechter. Ich glaube ich habe einen Sonnenstich oder sowas.“ Entgegnete ich.
„Du bist mit dem Fahrrad hier, du musst Fahrrad fahren!“ Entgegnete der Polizist.
„Mit dem Rad bin ich sehr langsam und wenn es mir nicht gut geht brauche ich vielleicht mehr als die 5 Tage.Ich bin Transit und möchte das Land auf schnellstem Wege verlassen. Der Zug ist um einiges schneller als mit dem Rad“ sagte ich.
„Nein mit dem Rad ist es schneller.“
„Echt? Also wenn Sie mich zwingen Fahrrad zu fahren werd ich vielleicht krank und darf noch eine Behandlung in einem Turkmenischen Krankenhaus in Anspruch nehmen. Wollen Sie das?“
„Nein, okay“ sagte der Polizist, „aber du kannst den Zug nicht nehmen. Du musst ein Taxi nehmen und musst hier weg. Du kannst hier nicht bleiben.“
Was blieb mir anderes Übrig, also fuhren wir zum Taxistand. Es fand sich aber kein passendes Auto, welches mich und mein Fahrrad transportieren konnte. Die Polizisten wurden unruhig und telefonierten umher.
„Es gibt hier ein Hotel“, sagte einer der beiden auf einmal. „Dort kannst du diese Nacht verbringen und morgen früh schicken wir dir ein Taxi, welches dich nach Mary (die einzige größere Stadt auf der ganzen Strecke) bringt. Von dort nimmst du den Zug.“
„Ein Hotel in diesem kleinen Ort?“ Sarahs, die Grenzstadt ist ein winziger Ort garantiert ohne Hotel.
„Ja, es wird noch gebaut, aber ein paar Zimmer sind schon fertig“, entgegnete der Polizist, also folgte ich ihnen bis zu diesem „Hotel“.
Das „Hotel“ war ein Marmorgebäude umgeben von großen Mauern, weit außerhalb der Stadt. Das Eingangstor zur Anlage wurde von Soldaten bewacht, die gleich hinter mir das große Tor wieder schlossen. Das Zimmer war nicht neu. Das Bett war durchgelegen und das Bad nicht gut gereinigt.
„Du darfst die Anlage nicht verlassen, wir schicken dir morgen früh ein Taxi, das nimmst du und fährst nach Mary zum Bahnhof. Du zahlst für diese Nacht, daher ist es ein Hotel. Vergiss das nicht. Gute Nacht.“
So ließen sie mich alleine. Der Standardpreis von 10$ ist nicht übertrieben und sie wollten sogar jemanden schicken, der mir Frühstück bringt. Das ist sehr nett. Bis heute weiß ich nicht, was das für ein Gebäude war, ich denke eine Unterkunft für Politiker vielleicht. Ich denke, die Regeln dort sind streng aber die Menschen sehr nett, sind aber gebunden und wollen trotzdem Gutes für den Touristen. Die gesamte Zeit waren sie sehr freundlich zu mir.
Am nächsten Morgen fährt das Taxi vor, ein großes Auto, passend um mein Rad zu transportieren. Ich kann ihn noch auf 30$ runterhandeln. Hoher Preis, aber immer noch günstig, wenn man bedenkt, es sind über 200km. Auf der ganzen Strecke waren 6 Polizeiblockaden und mein Pass wurde kontrolliert. Kurz vor Mary trafen wir auf die anderen drei Radler. Haben die schon über 200km hinter sich gebracht. In 1,5 Tagen bei diesem Wetter und Wind. Heftig.
In Mary angekommen kümmert sich der Fahrer noch darum, dass ich auf die Warteliste komme um ein Ticket zu kaufen, sagte mir nochmal, dass ich diesen Zug nehmen müsse um das Land so schnell es geht verlassen und verschwand.
Endlich wieder in Freiheit!